Im Nahverkehr fehlen Kapazitäten für das 365-€-Ticket Mit rund 130 Mio. Euro finanziert der Bund bis 2020 Verkehrsprojekte in fünf Modellstädten zur Verbesserung der Luftreinhaltung. Zu den Maß- nahmen gehören eine verbesserte Verkehrslenkung, neue Radwege oder auch Preisvergünstigungen im ÖPNV. So wird in Bonn seit Jan. 2019 ein 365-Euro-Ticket angeboten, mit dem Busse und Bahnen für rund einen Euro am Tag genutzt werden können. Dadurch soll aus Sicht der Bundesregierung der „öffentliche Personennahverkehr vor Ort noch attraktiver werden, um die Luftqualität in den Innenstädten zu verbessern“. Doch tragen solche Angebote oder gar die oft geforderte kostenlose Bereitstellung von Bussen und Bahnen tatsächlich dazu bei, dass Pendler bzw. Reisende vom Auto auf den Öffentlichen Verkehr umsteigen? Und macht es Sinn, solche Initiativen auf andere Städte zu übertragen? Aus Sicht des VDV können solche Angebote zum jetzigen Zeitpunkt keinen Beitrag für Verbesserun- gen bei der Luftqualität leisten. Denn selbst wenn durch ein steuerfinanziertes 365-Euro-Ticket mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen würden, fehlen derzeit ausreichende Kapazitäten, um die Kunden angemessen befördern zu können. Besonders deut- lich wird diese Herausforderung beim Vergleich der ÖPNV-Kennzahlen für das Fassungsvermögen und die Fahrleistung von Bussen und Bahnen sowie der Entwicklung der Fahrgastzahlen. So hat das Statis- tische Bundesamt für den Zeitraum 2008-2017 deutschlandweit einen Zuwachs bei den Fahrgast- zahlen von 7,9 Prozent errechnet. Die Platz-km im ÖPNV sind im gleichen Zeitraum hingegen nur um 6,9 Prozent gestiegen, die Fahrzeug-km sogar nur um 2,5 Prozent. Der VDV schlägt somit vor, zunächst die Kapazitäten im Nahverkehr auszubauen. Wichtige Bausteine sind Erleichterungen bei Planfeststellungsvorschriften für den Bau von ÖPNV-Betriebsanlagen, die Auf- stockung des GVFG-Bundesprogrammes auf jährlich 1 Mrd. Euro und dessen Öffnung für Sanierungs- maßnahmen. Aber auch neue Fahrzeuge werden benötigt. Bereits 2017 haben Abfragen bei großen Nahverkehrsunternehmen in Deutschland ergeben, dass bis 2021 über 3000 neue Linienbusse benötigt werden (vgl. VDV-Politikbrief 02.18). Entwicklung der Fahrgastzahlen, Platz-km* und Fahrzeug-km** im ÖPNV (2008-2017) +6,9 % Platz-km im ÖPNV +7,9 % Fahrgastzahlen +2,5 % Fahrzeug-km im ÖPNV H Quelle: Stat. Bundesamt, Verkehr 2017, Fachserie 8, Reihe 3.1; Verkehr 2008, Fachserie 8 Reihe 3.1 *Die „Platz-km“ im ÖPNV sind Kennzahl für das Fassungsvermögen eines Fahrzeuges im Nahverkehr, also von Bussen und Bahnen. Steh- und Sitzplätze eines Fahrzeuges werden dabei mit den gefahrenen Fahrzeugkilometern multipliziert. **Die „Fahrzeug-km“ im ÖPNV sind Kennzahl für die gefahrenen Bus- bzw. Bahnkilometer. Sie haben Fragen oder Anregungen zum Thema? hauptstadtbuero@vdv.de ∙ T 030 399932-17 Politikbrief 01 | April 2019 | Seite 6