Gastbeitrag: Corona darf Verkehrswende nicht gefährden Der Öffentliche Verkehr mit Bussen und Bahnen steht gegenwärtig vor der Herausforderung, die Angebote an neue Klima- und Umweltschutzvor- gaben anpassen und zugleich die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie kompensieren zu müssen. So verzeichnete der Nahverkehr allein im März, April und Mai 2020 vielerorts einen Fahrgastrückgang von bis zu 80 Prozent. Gleich- zeitig ist der öffentliche Personenverkehr als systemrelevanter Mobilitätsanbieter im Rahmen der Daseinsvorsorge aufgefordert, ein Grund- angebot aufrecht zu erhalten. Dank der starken Unterstützung von Bund und Ländern, die in nur wenigen Wochen ein ÖPNV-Rettungspaket fest- geschrieben haben, können Verkehrsunternehmen und Verbünde dieser Verantwortung gerecht werden. Trotz dieser Initiativen ist die wirtschaftliche Situation vieler Verkehrsunternehmen brisant. Das gilt vor allem für den eigenwirtschaftlichen Eisenbahnverkehr, der den Betrieb in der ersten Jahreshälfte zeitweise vollständig einstellen musste. Ferner stellt sich die Frage, ob vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungswerte über eine grundsätzliche Pandemiefinanzierungspla- nung für den Öffentlichen Verkehr nachgedacht werden sollte? Denn einerseits ist gegenwärtig nicht abzusehen, ob weitere Maßnahmen zum Gesundheitsschutz notwendig sein werden. Andererseits muss davon ausgegangen werden, dass die globale Bevölkerungsentwicklung, Konsumgewohnheiten oder auch eine weitere In- tensivierung der Landwirtschaft und Tierhaltung zu weiteren Pandemien führen können. Darüber hinaus muss abgesichert werden, dass die verein- barten Ziele bei Klimaschutz und Luftreinhaltung nicht zur Disposition gestellt werden. Wie wichtig das ist, hat auch die jüngste Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamtes gezeigt. Demnach sind die Treibhausgasemissionen im Sektor Verkehr abermals angestiegen. Mit unseren Bussen und Bahnen, neuen On- Demand- und Sharing-Angeboten ist es für uns als Branche selbstverständlich, dass wir die nötige Verkehrswende als aktiver Partner mit- gestalten. Hierfür müssen wir nun das Vertrauen der Fahrgäste zurückgewinnen. Von besonderer Bedeutung bleibt dabei das Tragen einer Mund- Nasen-Bedeckung in Fahrzeugen und Bahnhöfen, das Einhalten der Hygiene- und Distanzregeln oder beispielsweise das Öffnen von Türen an allen Haltestellen. Diese und andere Maßnahmen haben in den vergangenen Wochen und Monaten mit dazu beitragen, dass im Öffentlichen Personenverkehr bislang keine erhöhte Infektionsgefahr nachgewie- sen werden konnte. Aber auch weitere Stellschrau- ben bleiben wichtig. So sind die Unternehmen nach wie vor mit hohen Kostenbelastungen durch Ener- giesteuern und Umlagen konfrontiert. Aber auch beim digitalen Ticketing oder beim gegenwärtigen Personalbedarf in der Branche sind noch nicht alle Fragen beantwortet. Birgit Münster-Rendel Vorsitzende der VDV-Landes- gruppe Ost und Geschäfts- führerin der Magdeburger Verkehrsbetriebe Sie haben Fragen oder Anregungen zum Thema? hauptstadtbuero@vdv.de ∙ T 030 399932-17 Politikbrief 02 | November 2020 | Seite 2