Gastbeitrag: Wir brauchen einen neuen ÖPNV-Konsens Die Bundestagswahl liegt hinter uns, jetzt ist es an der Zeit, die zugespitzten Diskussionen aus den Wahlkampfdebatten mit Substanz zu füllen. Vor uns liegt ein Modernisierungsjahrzehnt, das auch den ÖPNV umfasst. Die Konkurrenzsituation ist dabei nicht einfacher geworden. Das Angebot digi- taler Plattformen wird zunehmen. Pandemie und GDL-Streik haben viele Menschen wieder ins Auto getrieben. Hinzu kommt, dass sich das Elektroauto auch bei unteren und mittleren Einkommen zu- nehmend durchsetzt. Wir erwarten zum Ende des Jahrzehnts rund 15 Millionen E-Pkw auf deutschen Straßen. Das bedeutet, das Auto verbessert seine Öko-Bilanz deutlich und wird absehbar vor allem im ländlichen Raum Verkehrsmittel Nummer eins bleiben. Um in dieser Konkurrenz bestehen und den Anteil am Modal Split steigern zu können, wird es in den kommenden Jahren erhebliche Modernisierungs- investitionen in Strecken, Material und Angebot brauchen. Wir müssen den ÖPNV insgesamt besser machen, moderner, flexibler und digitaler, attrakti- ver für Kundinnen und Kunden und mit guten, fair ausgestalteten Arbeitsplätzen. Unsere Mission ist klimaneutrale bezahlbare Mobilität für alle. Wir wollen einen Mobilitätsplan 2030 auf den Weg bringen, der den Öffentlichen Personennahverkehr auf ein neues Niveau bringt. Unser Ziel ist eine Mobilitätsgarantie: Jede und jeder in der Stadt und auf dem Land soll einen wohnortnahen Anschluss an den öffentlichen Verkehr haben. Verkehrsmittel der Zukunft ist das Smartphone. Gerade im ländlichen Bereich und bei Verkehren zwischen Klein- und Mittel- städten tut sich so ein Experimentierfeld für Innovationen auf und wir kommen dem Ziel ‚Eine Reise eine Buchung‘ über alle Verkehrsver- bünde hinweg näher. Wir brauchen einen Stadt- umbau, mit dem Flächenkonkurrenzen zu Gunsten des Umweltverbunds neu aufgelöst werden und der mit barrierefreien Mobilitätsstationen neue Knotenpunkte für nachhaltige Mobilität schafft. Diese neuen Leistungen finanzieren sich nicht von selbst, Mehrkosten stehen nicht direkt mehr Einnahmen gegenüber. Es braucht mehr Geld im System – Schätzungen gehen bis 2030 von zwei- stelligen Milliardenbeträgen zusätzlich zu den Steigerungen der GVFG- und Regionalisierungs- mittel aus. Darum müssen wir zwischen Bund, Ländern und Kommunen besprechen, wie wir mehr Geld für den ÖPNV und den Mobilitätsumbau unserer Städte und Regionen mobilisieren, ob die Zuständigkeiten richtig verteilt sind und wer welche Kosten trägt. Die Finanzausstattung sollte sich an Zielstandards der Versorgung orientieren. Ich schlage dafür einen ‚Investitionspakt Nahmo- bilität‘ über 10 Jahre vor. Wir brauchen eine faire Lastenverteilung und neue Preis- und Tarifinstru- mente, einen neuen Mix aus Steuerfinanzierung, Bestellerverantwortung und ergänzender kommunaler Hebesatzrechte. Für diesen neuen ÖPNV-Konsens braucht es schnell einen nationalen ÖPNV-Gipfel, der Bedarfe, Modernisierungsan- sprüche und Finanzierung zügig zusammenbringt. Sören Bartol MdB Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion für die Bereiche Verkehr, Wirtschaft, Bau und Digitales Sie haben Fragen oder Anregungen zum Thema? hauptstadtbuero@vdv.de ∙ T 030 399932-17 Politikbrief 02 | September 2021 | Seite 3