ÖV: Standardisierte Leitsystemanbindung automatisierter Fahrzeuge mittels KI

Das Projekt ÖV-LeitmotiF-KI

Der Einsatz automatisierter Fahrzeuge (AF) im Öffentlichen Verkehr (ÖV) erfordert ihre organisatorische und technisch standardisierte Integration in die betrieblichen Prozesse des ÖV. Die steigende Komplexität der Prozesse soll durch KI-Verfahren unterstützt werden. Gleichzeitig ist der ÖV als Betreiber für den sicheren Betrieb verantwortlich.

Eine Standardisierung ist daher nicht nur wesentlich für einen diskriminierungsfreien Marktzugang der AF-Hersteller, sondern auch für die risikoarme Integration von AF- und KI-Technologien in die betrieblichen Prozesse und die Vereinfachung von Genehmigungsprozessen.

Projektziel

Zur wirtschaftlichen Integration von AF in den ÖV wird ein sicherheitsgerechtes und standardisiertes Referenzmodell für die Integration von AF der Automatisierungsstufe 4 und höher entwickelt. Darin wird der Mehrwert KI-gestützter Methoden zur Beherrschung der Prozesskomplexität beschrieben.
Das Referenzmodell definiert umfänglich die betrieblichen Prozesse im Regel- und Störungsbetrieb sowie die Schnittstellenspezifikationen zwischen Leitsystemen und Fahrzeugen. Wesentlich ist die Sicherung der Akzeptanz durch eine nutzerzentrierte Gestaltung der Mensch-Technik -Interaktion für die technische Aufsicht und die Fahrgäste. Ein Leitfaden unterstützt den sicherheitsgerechten Genehmigungsprozess.

Vorgehen

Nach der Definition der Rollen, der Aufgaben sowie der Kooperationen im Kontext der Schnittstelle Fahrzeug-Leitsystem wurden die KI-Potentiale für die Betriebsprozesse mit Beachtung der Sicherheitsanalyse beschrieben. Unter Berücksichtigung der KI-Datenbedarfe wurde ein Datenmodell zur Standardisierung der Schnittstellen entsprechend dem Branchenstandard „Internet of Mobility“ (IoM, VDV435) im Sinne von „Industrie 4.0“ abgeleitet.
Die Validierung geschah durch deren Implementierung im Testfeld und im Realbetrieb sowie durch den VDV-Branchenstandardisierungsprozess. Der Entwicklungsprozess war geprägt durch eine iterative nutzerzentrierte Gestaltung der Mensch-Technik-Interaktion, insbesondere bei KI-Verfahren sowie durch eine Bewertung des Risikos bei der Integration von AVs in die betrieblichen Prozesse.

Förderung und Laufzeit

Das Projekt ÖV-LeitmotiF-KI wurde von Januar 2022 bis September 2024  im Rahmen der Fördermaßnahme „Ein zukunftsfähiges, nachhaltiges Mobilitätssystem durch automatisiertes Fahren und Vernetzung“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur durchgeführt.
Es wurde planmäßig zu Ende September 2024 abgeschlossen.

Projektbegleitende Integration der ÖV-Branche 

Der aktuelle Projektstand und die erzielten Ergebnisse wurden vom VDV im Rahmen des AP7 "Projektintegration" regelmäßig in den VDV-Ausschüssen ATI und K3 sowie deren Unterausschüssen und Arbeitsgruppen vorgestellt und diskutiert. Darüber hinaus fanden regelmäßig Präsentationen auf ausgewählten Fach-Seminaren und Kongressen statt. Das Feedback aus diesen Vorstellungen ist im Laufe des Projektes in die kontinuierliche Weiterentwicklung der Projektergebnisse eingegangen.
Der regelmäßige Austausch mit anderen Projekten zum automatisierten Fahren im öffentlichen Verkehr war eine weitere wertvolle Quelle für Feedback und Input zu den laufenden Projektarbeiten.

Grundlage dieser Kommunikation war die folgende Standard-Präsentation, die im Laufe des Projektes immer wieder an den aktuellen Fortschritt angepasst wurde. Sie gibt nun zum Projektende einen Projektüberblick und einen kurzen Einblick in die erzielten Ergebnisse.

Projektergebnisse

Die endgültigen Projektergebnisse werden nach Projektende in Form der Abschlussberichte der Projektpartner sowie des Verbund-Abschlussberichtes veröffentlicht.
Es ist geplant, sie als Grundlage für VDV-Schriften und -Mitteilungen zu verwenden.

In den einzelnen Arbeitspaketen sind die im Folgenden aufgelisteten Ergebnisdokumente erarbeitet worden.
Die Dokumente können beim VDV-Ansprechpartner (s.u.) angefordert werden.


Arbeitspaket 2 "Definition des KI-gestützten Referenzmodells" :

Use Cases für die Integration automatisierter Fahrzeuge in den ÖV mit den wesentlichen Inhalten

  • Menschzentrierte Gestaltung der Integration
  • Rollen und Akteure
  • Beschreibung betrieblicher Use Cases verbal und als Swimlane-Diagramm.
    Jeder Use-Case wird (soweit anwendbar) zunächst im konventionellen Betrieb mit Fahrpersonal beschrieben und dann in die Situation mit automatisierten Fahrzeugen ohne Fahrpersonal übertragen.

Referenzmodell mit den wesentlichen Inhalten

  • Kontext Öffentlicher Verkehr (ÖV) und Automatisiertes Fahren (AD)
  • Referenzarchitektur als UML-Komponentendiagramm
    mit Beschreibung der Komponenten und Schnittstellen
  • KI-Datenmodell

Arbeitspaket 3 "Spezifikation der KI-Anwendungsfälle":

Schnittstellenspezifikationen für die folgenden Schnittstellen der Referenzarchitektur:

  • "ÖV-ÖV": Luftschnittstelle zwischen ÖV-Leitstelle und ÖV-Bordrechner: Dispositive Maßnahmen
  • "ÖV-AD": Schnittstelle zwischen ÖV-Leitstelle und AD-Leitstelle: Missionsübergabe
  • "AD-AD": Schnittstelle zwischen AD-Leitstelle und AD-Bordsystem (Beschreibung und Nachrichtendefinition)

KI-Anwendungsfälle: Beschreibung und Bewertung potenzieller KI-Anwendungen

Fahrgastinformationen und -kommunikation im Kontext des automatisierten Fahrens:
Informationsflüsse aus Nutzersicht


Arbeitspaket 4 "Implementierung ausgewählter KI-Anwendungsfälle":

Ergänzend zu den im AP3 erarbeiteten Schnittstellenspezifikation wurden
XML-Schema-Files für die Schnittstellen "ÖV-ÖV" und "ÖV-AD" erarbeitet.


Arbeitspaket 5 " Validierung im Feldtest ":

Zum Feldtest wurde eine Video-Dokumentation (s.u.) erstellt.

Dokumentation Labortestfeld für Menschzentrierte Information und Kommunikation im Öffentlichen Verkehr (MIKA-ÖV)


Arbeitspaket 6 " Sicherheit ":

  • Funktionales Sicherheitskonzept
  • Technisches Sicherheitskonzept
  • Zulassungskonzept


Feldtest

Das ÖV-LeitmotiF-KI Team während des Feldtests

Im Zeitraum 22.-25.7.2024 hat das Projektteam einen erfolgreichen Feldtest im „Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg“ (TAF BW) durchgeführt.

Auf dem Gelände des KIT-Campus Ost fanden Testfahrten mit zwei automatisierten Fahrzeugen statt.


Dabei wurden wesentliche im Projekt erarbeitete Konzepte und Schnittstellen praktisch erprobt und erfolgreich demonstriert:

  • Die Fahrzeuge wurden von einer ÖV-Leitstelle auf Linienfahrwegen geführt.
  • Die Fahrwege wurden (als Reaktion auf simulierte Störungen) kurzfristig aus der ÖV-Leitstelle heraus dispositiv umgeleitet. Dabei wurde sowohl die angepasste Fahrgastinformation im Fahrzeug (geänderte Haltestellenfolge) als auch die Übertragung der Fahraufträge (sog „Missionen“) über die AD-Leitstelle an die automatisierten Fahrzeuge erfolgreich demonstriert.
  • Auf dem Fahrzeug wurde gezeigt, wie ein ÖV-Bordrechner Informationen (insbes. Ortung) vom AD-System übernimmt.
  • Die Kommunikation erfolgte durchgehend nach dem Konzept des „Internet of Mobility“ (IoM, VDV435) über MQTT-Broker. Das gilt sowohl für die zentralenseitige Kommunikation (ÖV-Leitstelle – AD-Leitstelle) als auch für die Funk-Kommunikation (Leitsysteme – Fahrzeuge) und für die fahrzeuginterne Datenübertragung.
  • In den Testszenarien wurde wechselweise eine ÖV-Leitstellen-Implementierung der Projektpartner INIT bzw. IVU eingesetzt, und die beiden automatisierten Fahrzeuge waren mit jeweils einem Bordsystem der IVU bzw. der INIT ausgestattet. Alle genannten Funktionen wurden auch bei Mischbetrieb zwischen Komponenten unterschiedlicher Hersteller getestet. So konnte praktisch nachgewiesen werden, dass die spezifizierten und implementierten Schnittstellen tatsächlich interoperabel und damit herstellerneutral sind.

Die Szenarien des Feldtests wurden mit Notfallszenarien ergänzt, die aus Sicherheitsgründen im Labortestfeld “MIKA-ÖV” an der TU Ilmenau mit Videoinstallationen evaluiert werden.

Die Videodokumentation gibt einen Überblick über den Feldtest und seine Einordung in das Gesamt-Projekt:

Ergänzend sind in der folgenden Videodokumentation die im Feldtest praktisch demonstrierten Use Cases im Detail zu sehen:

Projektpartner



Dr. Claus Dohmen

Ihr Ansprechpartner

0221 57979-135