Bedarfsverkehr per App kann Bus und Bahn ergänzen

Bessere Mobilität auf dem Land durch flexible Kleinbusangebote

Per App buchbare Sammelfahrten mit Kleinbussen können das Mobilitätsangebot verbessern und die Abhängigkeit vom privaten Auto verringern. Vor allem in ländlichen Regionen bieten sie die Möglichkeit, dünne Angebote des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) zu ergänzen. In diesem Leitfaden wird erklärt unter welchen Bedingungen sogenannte Linienbedarfsverkehre sinnvoll sind und wie sie erfolgreich ins öffentliche Verkehrssystem integriert werden können. Die Publikation entstand in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Landkreistag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Hochlauf der On-Demand-Verkehre im ÖPNV

Die „Linienbedarfsverkehre“ sind ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende – und damit ein Schlüssel für die Klimaschutzziele im Verkehrssektor bis 2030. Der VDV wollte von seinen Mitgliedsunternehmen wissen, was sich bei ihnen in diesem Bereich tut. Ein wesentliches Ergebnis: Die im vergangenen Jahr beschlossene Novelle des Personenbeförderungsrechts wirkt sich positiv aus, die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) erzielt die gewünschte Wirkung. Vielerorts nutzen die Verkehrsunternehmen den neuen Rechtsrahmen und fahren ihre On-Demand-Verkehre hoch. Das hat eine Branchenumfrage des VDV ergeben. Seit der im April 2021 beschlossenen Gesetzesnovelle ist die Zahl der On-Demand-Projekte, die in den öffentlichen Verkehr integriert sind, sprunghaft gestiegen.

Basis: Die Novellierung des PBefG 2021

Das Personenbeförderungsgesetz – das Grundgesetz der Branche – wurde am 26. März 2021 novelliert. Die fachlich ausgewogenen und zukunftsgewandten Neuerungen in diesem für die Verkehrsunternehmen so wichtigen Gesetz sind ein Grundstein für die Modernisierung und Flexibilisierung des ÖPNV. Es ermöglichte den Verkehrsunternehmen und -verbünden, die vielen innovativen Projekte der Verkehrsunternehmen im Bereich von Bedarfsverkehren jetzt mit Rechts- und Planungssicherheit fortzuführen oder zu beginnen. Die starke Rolle der Kommunen als Aufgabenträger und Genehmigungsbehörden und die Regulierung des Mietwagens führt dazu, dass volkswirtschaftlich ineffektiven private Teil-Angebote zulasten des ÖPNV ein Riegel vorgeschoben werden kann. Stattdessen bietet die sachgerechte Regulierung einen guten Rahmen für innovative Angebote der öffentlichen und privaten Verkehrsunternehmen sowie der Dienstleister und Mobilitätsplattformen im Interesse der Fahrgäste. Das Personenbeförderungsgesetz ist die maßgebliche Regelung für die Marktordnung des Öffentlichen Personennahverkehrs.

VDV-Branchenumfrage On-Demand-Verkehre 2022

Von Anfang an Bestand die Forderung seitens der Politik, die neuen Regelungen auch intensiv zu prüfen und dergestalt anzuwenden, dass die Menschen künftig vermehrt auf flexible, innovative Mobilitätsdienstleistungen, integriert in den ÖPNV, zurückgreifen können, auch und gerade außerhalb der großen Städte bis in den ländlichen Raum. Die Branche stand und steht in der Verpflichtung, die Möglichkeiten des Gesetzes vor Ort auch klug einzusetzen.  Amtliche bundesweite Vergleichszahlen und Wachstumsraten sind nicht verfügbar, weil die On-Demand-und Bedarfsverkehre nicht zentral erfasst werden. Diese Leerstelle füllt der VDV mit seiner Branchenumfrage aus.

Insgesamt sind bei den 70 Unternehmen, die sich an der VDV-Umfrage beteiligt haben, mehr als 400 Fahrzeuge in Linienbedarfsverkehren unterwegs – mehr als Zweidrittel von ihnen elektrisch. On-Demand-Verkehre leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Die Branche erwartet bis Ende 2022 rund 80 On-Demand-Projekte, die in den ÖPNV integriert werden.


47 Prozent der in der VDV-Umfrage erhobenen Verkehrsprojekte werden im ländlichen Raum umgesetzt. Fast ein Drittel der On-Demand-Verkehre entfällt auf die Mittelzentren, etwas mehr als ein Viertel auf urbane Räume.


Flotten- und Bediengebietsgröße der On-Demand-Verkehre nach Raumtypen.



Der Linienbedarfsverkehr dominiert (65 Prozent), neben atypischen Linienverkehr (22 Prozent) und Erprobungsbetrieben (12 Prozent).


Es überwiegen deutlich neue On-Demand-Angebote durch Linienbedarfsverkehr (85 Prozent), die bundesweit zum Einsatz kommen und das bestehende ÖPNV-Angebot verbessern. Bei rund 15 Prozent wurden die bestehende Stadt- und Rufbus-Angebote digital ausgebaut und die Bedienungsgebiete ausgeweitet.


68 Prozent der im On-Demand-Linienbedarfsverkehr eingesetzten Fahrzeuge sind elektrisch betrieben.

Wichtiger Baustein für die Mobilitätswende 

Vom Hochlauf der On-Demand-Verkehre profitiert neben den Städten und suburbanen Räumen vor allem der ländliche Raum: Dort zeichnet sich beispielsweise ab, dass schwach ausgelastete, regelmäßige Busfahrten auf on demand mit mehreren kleineren Fahrzeugen umgestellt werden. Zudem setzen Verkehrsunternehmen verstärkt auf on demand, um ihr Angebot zu ergänzen – etwa, um „auf der letzten Meile“ Wohngebiete mit Stationen der Stadt- oder Regionalbahn zu verknüpfen.

„Anfang 2019 gab es rund 10 On-Demand-Verkehrsangebote im ÖPNV. Zum Ende dieses Jahres sind es mit über 80 Projekten bereits mehr als dreimal so viele, Tendenz steigend. Diese Entwicklung zeigt eindrucksvoll, dass die Branche den politischen Auftrag aus der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes umsetzt: Die Verkehrsunternehmen und Verbünde sind dabei, überall in Deutschland neue Linienbedarfsverkehre anzubieten und bestehende Angebote auszubauen. Es sind aktuell mehr als 400 Fahrzeuge in diesem Bereich unterwegs. Bei den Projekten im ländlichen Raum gibt es dadurch flexible Angebote, wo vorher keine waren. Zudem zeichnet sich ab, dass schwach ausgelastete Linienverkehre dort eher auf On-Demand-Angebote mit mehreren kleineren Fahrzeugen umgestellt werden. So werden effektiv Leerfahrten vermindert und stattdessen die Mobilitätsbedürfnisse unserer Fahrgäste flexibel und mit hohem Komfort bedient“

Ingo Wortmann · VDV-Präsident

Tarifliche Integration von On-Demand-Verkehren

Die Verkehre sind fast vollständig in die bestehenden Tarifstrukturen integriert. Bei 24 Prozent der Unternehmen fällt ein Zuschlag an, 40 Prozent nehmen ihre Fahrgäste ohne Zuschlag mit dem einfachen Ticket oder Monatsabo on demand mit. Gebucht wird digital, aber auch per Telefon.

In der Regel ist das Angebot im normalem ÖPNV-Ticket oder Abo (ggf. zuzüglich ein bis zwei Euro Komfortzuschlag) integriert und damit sofort nutzbar. Im eTarif hat das On-demand-Angebot eine eigene, digitale Preisberechnung (zum Beispiel: Basispreis + Luftlinie). Dieser Preis wird transparent berechnet und auf dem Smartphone angezeicht. Beispiele hierfür sind der VRR On-Demand-Tarif, Eezy-Tarif NRW. Die Preislage ist günstiger als ein Taxi, aber preisintensiver als ein übliches ÖPNV-Ticket. Mit anderen Worten: Nicht nur das Angebot wird flexibler und kundennäher, sondern auch der Tarif. Im Bereich "Sonstige" sind „eigene Tarife“ verortet (Beispiel Festpreise: Zone 1 Innenstadt 1,50 Euro; Zone 2 Innenstadt und Speckgürtel 2,50 Euro - je nach dem wo Ein- oder Ausstiegspunkt ist.

Finanzierung von On-Demand-Angeboten in Deutschland

Die Branchenumfrage des VDV zeigt auch, dass die Entwicklung der On-Demand-Verkehre ein Finanzierungsthema bleibt: Die neuen größeren Flottenprojekte sind fast alle gefördert. In der Regel handelt es sich um öffentliche geförderte Projekte, zum Teil gefördert vom Land oder vom Bund (z. B.  DKV-Förderrichtlinie).  Es handelt sich nicht um „eigenwirtschaftlichen“ Verkehr, sondern finanziell unterstützte On-Demand-Verkehre von kommunalen Verkehrsunternehmen. On-Demand-Angebote sind zwar ein Hebel, um den ÖPNV insgesamt für mehr Menschen attraktiver zu gestalten und damit die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen. Aber ohne zusätzliche finanzielle Mittel sind sie in den kommenden Jahren nicht wirtschaftlich zu betreiben.

„Der Ausbau von On-Demand-Verkehren kann zur Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land und zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor beitragen. Das ÖPNV-Leistungskostengutachten von Roland Berger im Auftrag des VDV hat aber auch deutlich gezeigt, dass der finanzielle Bedarf für die damit verbundene Angebotserweiterung hoch ist: Bis 2030 bräuchten wir rund 3,8 Milliarden Euro zusätzlich, damit On-Demand-Verkehre in Deutschland flächendeckend im Regelbetrieb fahren können. Der Rechtsrahmen bietet mit dem PBefG klare Vorrausetzungen und wird entsprechend erfolgreich von der Branche umgesetzt. Was noch fehlt, sind die finanziellen Voraussetzungen, um die neuen Angebote nachhaltig betrieben zu können.“

Oliver Wolff · VDV-Hauptgeschäftsführer

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