Ziel 5: Moderne und innovative Techniken einsetzen

Durch Entwicklung und Einsatz moderner Technologien können Verkehre über Gleisanschlüsse und multimodale Verladestellen attraktiver werden.

Handlungsfeld 16: Modulare Fahrzeugtechnik ausbauen

Bei vielen Güterarten kommen verstärkt modulare Güterwagen- und Behältersysteme zum Einsatz. Diese

  • haben Vorteile bei der Verladung,
  • können sich flexibel an die Transportanforderungen des Kunden anpassen,
  • erhöhen die Kilometerleistungen der kostenintensiven Güterwagen und
  • unterstützen multimodale Konzepte.

Die Behälter können im kombinierten Verkehr und im Wagenladungsverkehr über Gleisanschlüsse und multimodale Verladestellen befördert werden. Das erhöht die Flexibilität in der Transportkette.

Zusätzliche Flexibilität schaffen auch:

  • Tragwagen, deren Länge auf den Behälter angepasst werden kann also veränderbar ist.
  • Behälter, die auf Straßenfahrzeugen verladen und ebenerdig abgesetzt werden können.
  • Installierte Stromsysteme auf Tragwagen, um z.B. Kühlaggregate von Reefer-Containern und Kühl-Trailern zu versorgen.

Zu modularen Systemen gehören Behälter, die

  • für einen längeren Zeitraum auf dem Tragwagen bleiben und für einen Wechsel in eine Werkstatt müssen,
  • mit Kran-/Terminalwechselsystemen in kurzen Zyklen zwischen Tragwagen wechseln können,
  • eine KV-Zulassung mit BIC oder ILU-Code haben,
  • zum Ladegut gehören und keinen BIC oder ILU-Code haben.

Transportsysteme, bei denen der Umschlag in Behältern erfolgt, können auch die Akzeptanz der benachbarten Bevölkerung erhöhen, denn gegenüber einer klassischen Waggonverladung

  • ist dieser leiser und
  • erzeugt weniger/keinen Schmutz und Geruch.

Modulare Systeme können auch einen Beitrag leisten, die nicht mehr zeit- und sachgerechten Abgrenzungen zwischen kombinierten Verkehr und Wagenladungsverkehr zu überwinden und die Systeme durchlässiger zu machen.
Der Masterplan Schienengüterverkehr empfiehlt ebenfalls innovative Komponenten für Eisenbahngüterwagen serienreif zu entwickeln und einzusetzen, u. a. multimodale, modulare Aufbauten.

Modernisierung des Regelwerkes, Schaffen von wettbewerbsfähigen Standards und angemessene Zulassungsverfahren

Die Rahmenbedingungen für Einsatz und Ausbau modularer Systeme sollten unbedingt verbessert werden.

Als wesentlicher Hebel für die Optimierung von Laderaumsystemen wird ein Paradigmenwechsel im Rahmen der Standardisierung von Assets gesehen. Historisch bedingt werden diese auf das kritischste Element, das sich aus der Betrachtung der Infrastruktur, die befahren werden könnte, ausgelegt. Dies führt dazu, dass für die Mehrzahl der Einsatzszenarien eine Überdimensionierung vorliegt. Ziel muss es sein, zukünftig die Infrastruktur an wenigen Stellen zu verändern, statt alle Bahnwagen an diese Infrastruktur anzupassen.

Im Rahmen eines Förderprojektes könnten Standards auf die o. g. Eigenschaft hin untersucht und Vorschläge erarbeitet werden, wie eine Erleichterung der Auslegungsstandards durch infrastrukturelle Regelungen, die lokal wirken, substituiert werden kann.

Um mit diesen Technologien weitere Verkehrspotenziale für die Schiene zu erschließen, bedarf es verschiedener Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und auch einer Willkommenskultur bei den staatlichen Zulassungsstellen.

Die Unternehmen sollten die Möglichkeit erhalten,

  • modulare Innovationen zu erproben,
  • auf moderne und zielgenaue Regelwerke zurückgreifen zu können und
  • bei der Zulassung nicht behindert zu werden.

Die besonderen technisch-betrieblichen Herausforderungen bei modularen Systemen liegen insbesondere in

  • der Ablaufbergtauglichkeit im Einzelwagenverkehr (Zulassung zum Ablaufbetrieb),
  • der Standardisierung der Behälterschnittstellen (in multimodalen Verkehren),
  • den technisch-betrieblichen Vorschriften für die Leerwagenbeförderung (Mindestgewichte),
  • den Beschränkungen in Bezug auf die Gewichte und Abmessungen beim Vor-/Nachlauf auf der Straße.

Mehr Schienengüterverkehr könnte auch durch eine deutliche Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts der Straßenvor- und nachläufe bei multimodalen Transporten in eingegrenzten Bereichen (z.B. Industriestandorten, große Gewerbegebiete, Güterverkehrszentren oder Häfen) bei Einhaltung der bestehenden Achs- und Radlastgrenzen erreicht werden. Diese höheren Vor- und Nachlaufgewichte könnten im Gewicht in Abhängigkeit von der Transportentfernung und zulässige Geschwindigkeit gestaffelt werden, so dass sichergestellt bleibt, dass es hierdurch nicht zu Verlagerungen von der Schiene auf die Straße kommt.

Maßnahmenvorschläge

16.1 Auflegen eines Förderprojektes zur Erarbeitung von Standards für den Einsatz modularer Systeme, insbesondere Festigkeit und elektromagnetische Verträglichkeit.
Beteiligte: Bund, Eisenbahnen, Hersteller

16.2 Schaffen von Testfeldern zur Erprobung weiterer Systeme inkl. immissionssenkender Lösungen bei Behältern und Umschlag.
Beteiligte: Eisenbahnen, Hersteller, EBA, Bund

16.3 Angemessene und modernisierte Zulassungsverfahren für Fahrzeuge und Aufbauten inkl. Systemschnittstellen.
Beteiligte: EBA, ERA

16.4 Ablaufbergtauglichkeit modularer Systeme ausbauen; angemessene und modernisierte Anforderungen an Güterwagen, Behälter und verbindende Schnittstellen in den Regelwerken und Normen definieren, inkl. Vorgaben aus der Infrastruktur.
Beteiligte: Eisenbahnen, EBA, ERA

16.5 Behälterschnittstellen unbedingt standardisieren und nicht einseitig verändern, z. B. durch Veränderung von Maßen bei den Straßenfahrzeugen.
Beteiligte: EU, Bund, Verbände

16.6 Technisch-betriebliche Vorschriften für die Leerwagenbeförderung sind veraltet und müssen aktualisiert werden, z. B. vorgeschriebenes Eigengewicht aus Infrastrukturvorgaben; aktuelle Regelungen blockieren die Einführung „leiser“ Scheibenbremsen.
Beteiligte: EBA, ERA

16.7 In eingegrenzten Bereichen (z. B. Industriestandorten, großen Gewerbegebieten, Güterverkehrszentren oder Häfen) und bei multimodalen Verkehren mit modularen Systemen könnten deutlich höhere Fahrzeuggewichte auf der Straße zugelassen werden; Streckenkarte vergleichbar mit der Positivliste beim Lang-Lkw aufbauen.
Beteiligte: Bund, Länder, Verbände

Ausbau der Förderung

Die Charta empfiehlt, modulare Systeme bei den bestehenden und künftigen Förderprogrammen von Bund und Ländern mit den konventionellen Güterwagensystemen gleichzustellen.

Darüber hinaus könnte wie in Frankreich und Österreich auch über eine spezielle Förderung für „Nicht-Standard-KV-Behälter“ nachgedacht werden.

Vorschläge

16.8 Modulare Systeme bei den bestehenden und künftigen Förderprogrammen von Bund und Ländern mit den konventionellen Güterwagensystemen gleichstellen.
Beteiligte: Bund, Länder, Verbände

16.9 Staatliche Förderung von Behältern, die nicht Standard-KV-Ladeeinheiten sind, sowie Förderung von zusätzlichen Einrichtungen an Umschlagsystemen.
Beteiligte: Bund, Länder, Verbände

Handlungsfeld 17: Digitalisierung, Automatisierung und Modernisierung auf der ersten/letzte Meile voranbringen

Einen erheblichen Zeit- und Kostenfaktor in dem Gesamtsystem Schienengüterverkehr stellen die Prozesse auf der ersten/ letzten Meile beim Bilden und Auflösen von Zügen und bei der Bedienung der Ladestellen in Gleisanschlüssen dar. Insbesondere im Segment des Wagenladungs-/Einzelwagenverkehrs verursachen diese Tätigkeiten etwa ein Drittel der Kosten eines Schienentransportes.

Die Spurführung, die vergleichsweise geringe Digitalisierung der wesentlichen Assets (Güterwagen, Gleisinfrastruktur), die aufwendigen Zugbildungs- und Zugauflösungsprozesse mit manuellen Kupplungsvorgängen sowie das Fehlen eines eigenen Antriebs der bei Güterwagen führen in Summe zu wesentlichen Nachteilen gegenüber dem LKW in Hinblick auf Effizienz und Flexibilität.

Folgende Faktoren prädestinieren Automatisierungen in Gleisanschlüssen:

  • die besagte Spurführung und eine damit verbundene geringere, bei der Automatisierung zu berücksichtigenden Anzahl von Freiheitsgraden,
  • das Fahren in einem nicht-öffentlichen Verkehrsraum und auf einer nicht-öffentlichen Infrastruktur
  • sowie dem Be- und Entladen der Fahrzeuge (Waggons) an spezialisierten Umschlagpunkten.

Die Digitalisierung der Prozesse und Assets sowie die Prozessautomatisierung können zu deutlichen Produktivitätsgewinnen auf der ersten/letzten Meile führen und damit die schienengebundene Logistik wesentlich effizienter, flexibler und attraktiver machen.

Einführung Digitale Automatische Kupplung (DAK)

Gerade für den Eisenbahnbetrieb auf der ersten/letzten Meile ist die Einführung der DAK von zentraler Bedeutung, denn sie ist eine Schlüsseltechnologie für das Kuppeln, Rangieren und Bilden/Auflösen von Zügen.

Darüber hinaus erhöht sie die Arbeitssicherheit für das Betriebspersonal und kann ein wichtiger Beitrag für die Schaffung attraktiver Arbeitsplätze vor allem im Rangierdienst sein.

Gleisanschlüsse und multimodale Verladestellen sind auch potenzielle Standorte für Pop-up-Werkstätten im Rahmen der DAK-Einführungsmigration.

Rangieren und Umschlag automatisieren

Als spurgebundenes Transportsystem eignet sich vor allem die Schiene für Automatisierungen im Rangier- und Umschlagbetrieb. Dazu gehören ebenso Assistenzsysteme im Rangierbetrieb.

Für den Umschlag von standardisierten Transportbehältern könnten zudem schnelle und automatisierte Verladetechnologien z. B. über einfache Ladestellen eingesetzt werden.

Datenflüsse in Geschäftsprozessen verbessern

Im Paketbereich erleben Kunden bereits ein hohes Maß an digitalen Geschäftsprozessen. Der Schienengüterverkehr ist auch in der Lage, seinen Kunden vergleichbare Lösungen anzubieten. Die Schiene hat gegenüber der Straße sogar den Vorteil, dass ihre Infrastruktur zunehmend digitalisiert wird und somit beim Transport ebenfalls Daten erzeugen und weitergeben kann.
Übergeordnetes Ziel muss es sein, den Datenfluss ohne Störungen/Unterbrechungen in einer durchgehenden Informationskette über Unternehmensgrenzen hinweg zwischen allen Akteurinnen und Akteure eines Schienentransportes zu realisieren.

Maßnahmenvorschläge

17.1 Konsequente Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen des Masterplans Schienengüterverkehr, insbesondere der (geplanten) „Strategie und Maßnahmen zur Digitalisierung und Automatisierung des Schienengüterverkehrs“ des BMDV.
Beteiligte: Siehe Masterplan Schienengüterverkehr

European Train Control System (ETCS)

Eine wichtige Zukunftstechnologie ist das European Train Control System (ETCS). Bei vielen NE inkl. Häfen und großen Gleisanschlüssen erfolgen die Ein- und Ausfahrten über die Infrastrukturgrenze als Zugfahrten. Dies steigert die Kapazitäten gegenüber den deutlich langsameren und Kapazität beanspruchenden Rangierfahrten.

Der Bund beteiligt sich derzeit nicht an der ETCS-Finanzierung bei nicht bundeseigenen Infrastrukturbetreibern. Investieren diese nicht in ETCS, werden Zugfahrten zwischen bundeseigener und nicht bundeseigener Infrastruktur nicht mehr möglich sein und durch Rangierfahrten ersetzt. Investieren die nicht bundeseigenen Betreiber in ETCS ohne staatliche Förderung, steigen bei ihnen die Infrastrukturkosten erheblich an.

Maßnahmenvorschläge

17.2 Gemeinsame ETCS-Migrationsstrategie unter Einbeziehung der NE inkl. Häfen und Gleisanschlüsse/Verladestellen; Beachtung der Belange nicht bundeseigener Infrastrukturen bei der ETCS-Einführung und Verfolgung eines ganzheitlichen Ansatzes.
Beteiligte: Bund

17.3 Die Finanzierung der technischen ETCS-Ausstattungen bei nicht bundeseigenen Eisenbahninfrastrukturen inkl. Häfen und privaten Gleisanschließern ist zwingend durch Bund zu fördern.
Beteiligte: Bund

Einsatz energiesparender und emissionsarmer Lokomotiven

Im Rangierbetrieb auf der ersten/letzten Meile werden überwiegend dieselbetriebene Lokomotiven eingesetzt. Zunehmend werden diese von alternativen Kraftstoffen wie HVO, E-Fuel, Wasserstoff oder durch Batterie (z. B. Hybridlokomotive) angetrieben. Auch eine Elektrifizierung der Infrastruktur bis in Gleisanschlüsse und multimodale Verladestellen hinein verbessert die Klimabilanz der Schiene.

Maßnahmenvorschläge

17.4 Konsequente Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen des Masterplans Schienengüterverkehr.
Beteiligte: Siehe Masterplan Schienengüterverkehr