Kernforderungen der Bahnverbände zur Bundestagswahl 2021

Deutschland braucht eine entschlossene Politik für mehr Schienenverkehr. Jetzt, vor der Bundestagswahl 2021, ist diese Forderung wichtiger denn je. Für die Zukunft der Schiene hat sich in den vergangenen vier Jahren viel getan: Ein „Masterplan Schienengüterverkehr“, ein „Masterplan Schienenverkehr“ und ein „Zielfahrplan Deutschlandtakt 2030“ – alles Ergebnisse eines intensiven Dialogs von Bundesregierung und Bahnsektor. Von überragender Bedeutung ist zudem das Klimaschutzprogramm 2030, dessen Zielvorgaben nur mit einer konsequenten Stärkung des Schienenverkehrs erreichbar sind.

Die Bundespolitik hat sich konkrete Ziele gesetzt: Bis zum Jahr 2030 soll der Marktanteil der Güterbahnen auf mindestens 25 Prozent anwachsen und sich die Zahl der Bahnreisenden verdoppeln. Was die nächste Bundesregierung zuerst angehen sollte, um den Schienenverkehr zum Wohle der Gesellschaft, der Umwelt und der Wirtschaft voranzubringen, ist in drei politischen Kernforderungen formuliert.

Der Schlüssel, um die Zahl der Fahrgäste im Nah- und Fernverkehr zu verdoppeln, liegt in einem verbesserten Verkehrsangebot und konsequenten Ausbau von Schienenstrecken und Bahnhöfen. Auch für die Marktanteilssteigerung des Schienengüterverkehrs braucht es einen Ausbau der Schieneninfrastruktur. Die Leistungs-  und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen Bund und Deutscher Bahn hilft für den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur, nicht aber für den Bau neuer Strecken, Bahnhöfe und Verladestellen oder die Erweiterung wichtiger Knoten.

Für einen Deutschlandtakt und eine leistungsfähigere Schieneninfrastruktur mit mehr Fahrgästen und Gütern auf der Schiene sind vier Punkte prioritär

  • Der Bund muss für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes („Bedarfsplanmaßnahmen“) spätestens ab Mitte der Legislaturperiode mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr bereitstellen.
     
  • Ausbau und Modernisierung der Schieneninfrastruktur müssen finanziell vergleichbar langfristig abgesichert sein wie der Erhalt des Schienennetzes durch die LuFV. Ein Bahninfrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild wäre dafür notwendig.
     
  • Ausgehend vom Zielfahrplan 2030 des Deutschlandtaktes müssen Bund und Branche Zwischenschritte mit konkreten Inbetriebnahmen und Angebotsverbesserungen definieren („Etappierungskonzept“). Zugleich müssen auch nichtbundeseigene Eisenbahninfrastrukturen stärker gefördert werden, um auch die für das Gesamtsystem Eisenbahn wichtige „letzte Meile“ auf die nötige Leistungsfähigkeit zu bringen.
     
  • DB Netz und die nichtbundeseigenen Infrastrukturbetreiber müssen die vorhandene Infrastruktur schneller als bisher leistungsfähiger machen. Dafür muss der Bund die finanziellen Voraussetzungen schaffen. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollten mindestens 75 Prozent des Schienennetzes und alle Grenzübergänge zu den Nachbarstaaten mit elektrischen Oberleitungen ausgestattet sein sowie viele kleinere und mittlere Infrastrukturmaßnahmen realisiert werden, die bisher nicht Teil des Bedarfsplans sind.

Sowohl der Bahnbetrieb als auch die Infrastruktur werden durch Digitalisierung leistungsfähiger und zuverlässiger. Vier Punkte bilden die Voraussetzung für eine beschleunigte Digitalisierungsoffensive:

  • digitale Stellwerke und Ausstattung von Fahrzeugen und Strecken mit der Leit- und Sicherungstechnik ETCS,
  • flächendeckende Umrüstung auf eine Digitale Automatische Kupplung (DAK),
  • durchgehende Tickets von Tür zu Tür,
  • Ein Innovationsbonus für Investitionen in digitale, emissionsfreie Technologien.

Die vier Punkte für eine beschleunigte Digitalisierung im Detail

  • Das gesamte Bundesschienennetz muss bis zum Jahr 2035 digitalisiert werden. Nötig sind dafür digitale Stellwerke sowie die Ausstattung von Fahrzeugen und Strecken mit der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS. Der Bund muss die „On-Board-Units“ (ETCS-Fahrzeugausrüstung) als Teil der Infrastruktur finanzieren.
     
  • Für mehr Effizienz im Schienengüterverkehr ist eine europaweite Umrüstung auf eine Digitale Automatische Kupplung (DAK) notwendig. Die DAK verbindet die überfällige Automatisierung des Wagenkuppelns mit der Welt der Schiene 4.0. Bis 2030 sollen Güterwagen und Loks europaweit mit einheitlichem Standard automatisch kuppeln, 2023 soll der Migrationsprozess starten. Für die Umrüstung der europaweit 450.000 Güterwagen rollen Kosten in Höhe von mehr als acht Milliarden Euro auf den Sektor zu – verteilt auf die siebenjährige Umrüstungsphase. Diese Herkulesaufgabe können die Unternehmen finanziell nicht schultern. Der Bund muss deshalb jetzt für umfangreiche Umrüstförderung auf nationaler und europäischer Ebene sorgen.
     
  • Um die Nutzung des öffentlichen Verkehrs zu erleichtern, müssen durchgehende Tickets von Tür zu Tür endlich die Regel werden. Dazu gehören auch die intermodale, diskriminierungsfreie und betreiberübergreifende Information über Fahrpläne in Echtzeit und moderne Features wie Auslastungsdaten. Der Bund sollte weiterhin die in der Branche begonnenen Aktivitäten unterstützen und ein Programm für die Digitalisierung der öffentlichen Mobilität vor Ort auflegen.
     
  • Neben der Aufstockung des „Bundesprogramm Zukunft Schienengüterverkehr“ auf die ursprünglich vorgesehenen 100 Mio. Euro pro Jahr muss ein Innovationsbonus Investitionen in digitale, emissionsfreie Technologien fördern. Der Bund muss Innovationen im Markt durch finanzielle Incentivierung unterstützen (Marktaktivierung), damit öffentliche Vergaben diese auch adäquat gewichten können.

Ein substanziell höherer Marktanteil der Bahnen leistet einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz im Verkehrssektor und bietet einen Zuwachs an Lebensqualität – dank weniger Staus, weniger Abgasen, weniger Flächenverbrauch und einer geringeren Zahl an Verkehrsopfern. Hieran muss sich das politische Handeln in Form einer verkehrsträgerübergreifenden Politik orientieren. Drei Dinge sind für eine Verkehrswende dringend erforderlich:

  • „Straße finanziert Straße“ muss durch „Verkehr finanziert
    Verkehr“ ersetzt werden.
  • Priorität Schiene im Bundeshaushalt beim Neu- und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur.
  • Eine ganzheitliche Politik mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen für die Verkehrswende.

Die drei zentralen Maßnahmen für eine Verkehrswende im Detail

  • Der 2011 bei den Lkw-Mauteinnahmen eingeführte Finanzierungskreislauf „Straße finanziert Straße“ muss durch „Verkehr finanziert Verkehr“ ersetzt werden. Die Mauteinnahmen, der Abbau umweltschädlicher Subventionen und CO2-Abgaben erweitern den finanziellen Handlungsspielraum für die Forcierung der Verkehrswende.
     
  • Beim Neu- und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur muss die Schiene Priorität im Bundeshaushalt bekommen und mindestens zwei Drittel des hierfür zur Verfügung stehenden Etats erhalten.
     
  • Für die Verkehrswende bedarf es darüber hinaus einer ganzheitlichen Politik mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen: die Befreiung der Bahnen von der Stromsteuer, die weitere Senkung der EEG-Umlage für elektrisch betriebene Züge, die Schaffung von Rahmenbedingungen für zukunftsfähige Einzelwagenverkehre, die dauerhafte Reduktion der Infrastrukturnutzungsentgelte im Personen- und Güterverkehr. Zudem sind Gebühren im Eisenbahnsektor, die keine Entsprechung bei anderen Verkehrsträgern haben, abzuschaffen.

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Die acht Bahnverbände haben zu Beginn des Wahljahrs 2021 ihre drei wichtigsten Forderungen an die nächste Bundesregierung formuliert. Damit zeigt die Branche auf, wie Deutschland die ehrgeizigen Ziele für die Schiene in diesem Jahrzehnt erreichen kann.